Antidepressiva - Ähnlich wirksam wie Placebos (Radiofeature mit Julia Friedrichs)

 
 
 

Eine belebte Kreuzung in Berlin-Mitte. Ein junger Mann, blondes Haar, blaues Shirt, zögerndes Lächeln, biegt mit dem Rennrad um die Ecke. Setzt sich zu uns an den Kaffeetisch. Zündet sich eine Zigarette an. Nippt am Kaffee. Und fängt an zu erzählen. Von der Zeit vor einem Jahr, als der Faden riss, der ihn mit dem normalen Leben verband. Tobias Schuster war damals gerade zum Studium nach Berlin gezogen. Er war viel allein, teilte eine Wohnung mit einem Bekannten, der ihn ignorierte. Der damals 20jährige erlahmte mehr und mehr. Fühlte sich leer. Quälte sich mit den immer gleichen Gedanken.

"Super negative destruktive Gedanken. Auch Zeiten, wo ich nicht mehr rausgekommen bin. Und nichts hinbekommen habe. Und da ist es halt so krass geworden, dass ich so suizidale Zwangsvorstellungen immer hatte, also dass ich mir immer und immer wieder so Sachen ausgemalt habe. Dann bin ich halt so zum Psychiater gegangen. Und dann, ich glaube so sind halt Psychiater, hat er fünf Minuten mit mir geredet und hat gleich gesagt: Sie haben das und das und das. Sie haben eine mittelschwere depressive Episode. Er hat mich mit den Medikamenten sehr alleine gelassen. Er hat gesagt: Ich gebe Ihnen das Rezept. Sie können es auch erhöhen und so."

 

Antidepressivum "Sertralin" besser bekannt als "Zoloft"

Tobias Schuster bekam ein Rezept für das Antidepressivum "Sertralin", besser bekannt unter dem Handelsnamen "Zoloft". Ein Mittel, das den Serotonin-Spiegel im Gehirn stabilisieren soll. Er stieg mit der empfohlenen Dosis von 50 Milligramm in die Behandlung ein. Und steigerte diese in Eigenregie schnell auf die Maximaldosis von 220 Milligramm am Tag.

"Ich habe schon das Gefühl, dass mir die Medikamente geholfen haben, dass ich eben sagen konnte: Es geht mir schlecht, okay, dann erhöhe ich jetzt und dann wird das wieder. Ich habe schon das Gefühl, dass mir das geholfen hat. Auch immer diese Routine. Es hat auch etwas Ritualmäßiges. Weil ich hatte vor allem morgens, dass ich super down war und dann steht man halt morgens so auf und nimmt erst mal diese Medikamente. Das hat so etwas von einem Ritual." 

Ein Jahr ist es es her, seitdem er die Diagnose "Depression" erhielt: Der 21-Jährige ist damit einer von geschätzten zehn Millionen Menschen in Deutschland, die mindestens ein Mal in ihrem Leben an einer Depression erkranken. Einer Krankheit, die von vielen als anhaltende bodenlose Traurigkeit, als Verzweiflung, als nicht zu überwindende Erschöpfung beschrieben wird.

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