Rezension: Micha Hilgers - Der authentische Psychotherapeut

 
 
 

Der Titel des Selbsthilfeklassikers „Triffst Du Buddha unterwegs...“ empfahl, den eigenen Psychotherapeuten zu töten, falls man ihm einmal im Alltag begegnen sollte. Töten sollte man ihn natürlich nur in übertragenem Sinne. Es galt als erster Schritt zur Heilung, den Therapeuten nicht zu vergöttern, sondern als normalen Menschen anzusehen.

Wie Therapeuten selbst es schaffen, bei all den Erwartungen, die an sie gestellt werden, Mensch zu bleiben, beschäftigt Micha Hilgers in seinem neuen Buch „Der authentische Psychotherapeut“. „Oh Gott, da muss ich ja aufpassen, was ich sage“, zitiert er einen typischen Ausruf, wenn er sich in privater Runde beruflich outet. Wie weit dürfen Therapeuten außerhalb der Therapie noch Mensch sein? Wie sehr müssen sie es innerhalb? Laut Hilgers sind es auch im therapeutischen Setting die vielleicht „kostbarsten Momente“, wenn „zwei Menschen sich so sehen, wie sie sind“

Dazu schlägt der Autor einen weiten Bogen, u.a. über die Themenfelder Humor, Sexualität, das Böse und Vergänglichkeit. Bei einigen der behandelten Punkten sucht der Leser den roten Faden - etwa wenn es neben vielem anderen um den politischen Witz, eine neunseitige Tabelle mit Kriterien der Dissozialität oder eine sicher spannende Neuinterpretation des Ödipus-Mythos geht. Dass man all dies auch bei eher freier Assoziation zum Thema gerne und mit Gewinn liest, liegt an der Erzähl- und Formulierungskunst von Hilgers. Man kommt dem Autor persönlich nahe, während er aus seiner Praxis berichtet, über Kleidung von Psychotherapeuten räsoniert oder sich über das Verhältnis von Alt und Jung auslässt. „Der authentische Psychotherapeut“ ist ein Buch, das genauso sympathisch ist, wie, so lässt es vermuten, sein Autor. Falls ich einmal selber psychologische Hilfe brauchen sollte, würde ich hingehen und darauf vertrauen, dass er mir als Mensch begegnet.

(erschienen in Psychologie Heute 1/2019)

 
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